Verbote verhindern Abtreibungen nicht

Mittwoch, 24. Juni 2015 - 17:15

Kommentar von Brigitte Hornyik, Verfassungsjuristin und stv. Vorsitzende des ÖFR

erschienen in der Printausgabe der Tageszeitung Die Presse vom 23.06.2015

Vor 40 Jahren trat die Fristenregelung in Kraft. Wo steht Österreich heute in Sachen Schwangerschaftsabbruch?

Die Fristenregelung trat 1975 in Kraft: Der Schwangerschaftsabbruch ist zwar verboten (§96 Strafgesetzbuch – StGB), er bleibt aber gemäß § 97 StGB straffrei, wenn er nach ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird. Da sich das in Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistete Recht auf Leben nur auf Geborene bezieht, erachtete der Verfassungsgerichtshof 1974 diese Regelungen als verfassungskonform.

Der Verfassungsgerichtshof sieht die Entscheidung über den Kinderwunsch als Teil der durch Artikel 8 EMRK geschützten Privatsphäre. Nach herrschender Lehre wird daraus auch das Selbstbestimmungsrecht in Bezug auf den Schwangerschaftsabbruch abgeleitet.

Die Entscheidung für einen Abbruch wird durch faktische Bedingungen erschwert. Abbrüche kosten zwischen 500 und 600 Euro. Sie werden – etwa in Vorarlberg und Tirol – nicht in allen Spitälern durchgeführt. Frauenvernetzungen wie die Plattform 20000Frauen fordern daher die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen in allen öffentlichen Spitälern und Kostenregelungen, damit das Selbstbestimmungsrecht unabhängig von Einkommen und Wohnort wahrgenommen werden kann.

Der internationale Vergleich

Die Strafrechtsreform 2015 geht auf die Frage, ob der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch geregelt sein muss, nicht ein; dies wurde vom Frauenring und vom Verein Österreichischer Juristinnen im Begutachtungsverfahren kritisch vermerkt.

Schon 2004 forderte der Frauenring im Rahmen des Österreich-Konvents die ausdrückliche Verankerung des Selbstbestimmungsrechts in der Verfassung. Diese Forderung wurde aber ebenso wenig umgesetzt wie die nach einer Verankerung eines Abtreibungsverbotes.

Verbesserte Aufklärung, leichterer Zugang zu Empfängnisverhütungsmitteln und liberale Gesetze senken die Zahl ungewollter Schwangerschaften, wie internationale Vergleiche zeigen. Infrastrukturelle Maßnahmen im Bereich Kinderbetreuung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie erhöhen Geburtenraten.

Vertrauen wir den Frauen

Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für einen Abbruch. Viele haben bereits Kinder und glauben, kein weiteres Kind mehr verantworten zu können. Maßnahmen gegen Frauenarmut und gegen Armutsgefährdung von Mehrkinderfamilien wären daher zielführender als Verbote, wie sie Abtreibungsgegner fordern.

Abtreibungsverbote verhindern Abbrüche nicht. Sie drängen Frauen in die Illegalität und gefährden Gesundheit und Leben von Frauen. Der freie und sichere Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen ist daher ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit von Frauen.

Kanada hat bereits 1988 auf gesetzliche Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs zur Gänze verzichtet. In absoluten Zahlen ist die Zahl der Abbrüche in etwa gleich geblieben, prozentuell ist die Zahl aufgrund wachsender Bevölkerungsraten gesunken. In Österreich wäre die Streichung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch ein einfacher Gesetzesbeschluss (92 Stimmen).

Niemand darf zu einem Schwangerschaftsabbruch gezwungen werden (§ 97 Absatz 3 StGB). Aber es soll auch niemandem die freie Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch verwehrt werden. Trust Women heißt eine Organisation in Amerika: Vertrauen wir den Frauen, bevormunden und kriminalisieren wir sie nicht. Ob Menschen Kinder wollen oder nicht, müssen sie selber nach ihrem Gewissen entscheiden können.