Offener Brief an die österreichische Bundesregierung

Dienstag, 17. Juli 2018 - 12:00

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz!

Sehr geehrter Herr Vizekanzler Heinz-Christian Strache!

Sehr geehrte Frau Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend, Dr.in Juliane Bogner-Strauß!

Sehr geehrte Frau Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Mag.a Beate Hartinger-Klein!

Sehr geehrter Herr Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, Mag. Gernot Blümel, MBA!

Sehr geehrter Herr Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Univ.-Prof. Heinz Faßmann!

Sehr geehrter Herr Bundesminister für Finanzen, Hartwig Löger!

In Ihrem Regierungsprogramm betonen Sie vielfach die Wichtigkeit und Bedeutung der Familien und Kinder, Sie betonen, wie sehr Ihnen Familien am Herzen liegen und wie sehr Sie Familien unterstützen wollen und werden.

Frauen sind die Mehrheit in der Bevölkerung, gleichberechtigte Bürgerinnen, Steuerzahlerinnen und Wählerinnen.

Frauen sind Teil der Familie, Kinder sind Teil der Familie, Mütter sind Teil der Familie, alleinerziehende Mütter sind Teil der Familie.

Dennoch lassen Sie es zu, dass heuer die Mittel für Familienberatungsstellen um 4,2% gekürzt werden und damit auch für zahlreiche Frauenberatungsstellen. Viele Familienmitglieder, Eltern, Männer und Frauen, Erziehungsberechtigte, die Hilfe für sich selbst oder für ihre Kinder benötigen, werden vor die Tür gestellt werden und erhalten keine Unterstützung mehr!

Dennoch lassen Sie es zu, dass Frauenorganisationen und Frauenprojekten die bisher bewilligten und angesuchten Förderungen gestrichen oder gekürzt werden!

Dennoch lassen Sie es zu, dass noch immer Informationen über Förderungen aus dem Familienressort fehlen! Es ist bereits Juli und viele Organisationen müssen seit Anfang Jänner Personalkosten vorfinanzieren und wissen nicht, ob ihnen auch diese Förderungen gestrichen werden.

Dennoch lassen Sie es zu, dass viele Frauenorganisationen keine Indexanpassung bei den Förderungen bekommen!

Es handelt sich dabei um Frauenorganisationen, die sich seit Jahrzehnten für Frauenrechte, für Geschlechtergerechtigkeit und die Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzen.

Es handelt sich dabei um Frauenorganisationen, die seit Jahrzehnten umfangreiche, maßgeschneiderte und bedarfsgerechte Bildungsmaßnahmen für alle Frauen anbieten und speziell für Frauen mit Behinderungen, ältere Frauen, Mädchen, Migrantinnen, asylsuchende Frauen, LGBTIQ-Menschen und Alleinerziehende.

Es handelt sich dabei um Frauenorganisation und -projekte, die seit vielen Jahren Gewaltprävention und Bewusstseinsbildung für ein gewaltfreies und respektvolles Miteinander leisten.

Es handelt sich auch um Fraueneinrichtungen, die Diskriminierung und Benachteiligungen sowie frauenpolitische Errungenschaften medial aufzeigen.

Es handelt sich um Einrichtungen, die sich für Frauen und Männer juristisch und bei Gericht gegen jede Form der Diskriminierung einsetzen. 

Infolge der Kürzungen bzw. der Streichung von Förderungen dieser Organisationen und Projekte sind Bildungsangebote und Medienprojekte stark gefährdet, die für ein selbstbestimmtes Leben von Mädchen und Frauen einen entscheidenden Beitrag leisten.

Die uns bisher bekannten von den Kürzungen und Streichungen betroffenen Organisationen setzen auf den Zusammenhang von Bildung, Demokratie, Empowerment, Selbstbewusstsein, Strukturreflexion, gesellschaftspolitisches Engagement, kritische Öffentlichkeitsarbeit, Sensibilisierung für Unrechtsbewusstsein, emanzipatorische Lebenskonzepte, Solidarität, inter/nationale Vernetzung und letztlich auf Engagement für Frauen- als Menschenrechte und ein gutes Leben für alle.

Mit geringen öffentlichen Fördermitteln wird seit Jahren und Jahrzehnten unverzichtbare Arbeit für unsere Gesellschaft geleistet.

Der Österreichische Frauenring (ÖFR) vertritt durch seine Mitgliedsorganisationen geschätzte zwei Millionen Frauen und Mädchen in Österreich. Der Österreichische Frauenring fordert, die beantragten Gelder unverzüglich auszuzahlen und die Einrichtungen finanziell und rechtlich abzusichern und ist für eine Lösung gesprächsbereit.

Wir appellieren an Ihre politische Verantwortung und fordern Sie auf, das Budget für Gleichstellungspolitik und Gewaltprävention dringend um das 21-fache zu erhöhen! Mit einem Budget von 10 Millionen Euro kann diese Arbeit nicht geleistet werden.

Seit 1. Juli 2018 hat Österreich für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das ist die Chance für Sie, politische Verantwortung zu übernehmen und endlich die Istanbul-Konvention umzusetzen, zu der sich Österreich mit der Ratifizierung 2013 verpflichtet hat. 

Hochachtungsvoll,

im Namen des österreichischen Frauenringes!

Klaudia Frieben

Vorsitzende

 

Untenstehend finden Sie den offenen Brief sowie Antwortschreiben darauf zur Nachlese.