Viele offene Fragen: Frauenring sieht bei Strafrechtsreform nur halben Schritt nach vorn
Klare Definition der sexuellen Belästigung und Berichte gefordert
Die Erweiterung des § 218 StGB über die sexuelle Belästigung im aktuellen Entwurf ist zwar ein längst überfälliger Schritt, bleibt aber auf halbem Weg zurück. So bleiben viele Fragen in Hinblick auf die Praxis offen. Es ist nicht klar, wann eine Berührung "intensiv" und wie die "Geschlechtssphäre" nun definiert ist. "Damit besteht die Gefahr, dass sich an der Rechtsprechung zur bisherigen Gesetzeslage nicht viel ändert", sagt Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings.
Gerichten bleibt nach wie vor ein großer Auslegungsspielraum: So könnte geurteilt werden, dass der Griff aufs Gesäß nicht als sexuelle Belästigung zählt. Der Gesetzgeber verabsäumt, klar zu formulieren, dass jede Form von ungewolltem sexuell bestimmten, verbalem, nonverbalem oder körperlichem Verhalten als sexuelle Belästigung definiert wird. Juristinnen und Expertinnen aus Gewaltschutzeinrichtungen schlagen vor, die Begriffe "intensiv" und "Geschlechtssphäre" durch "nicht bloß flüchtig" und "erogene Körperzonen" zu ersetzen. "Der Schutz der sexuellen Integrität darf nicht erst dort anfangen, wo das Opfer bereits in seiner Würde verletzt wurde", sagt Strafrechtsexpertin Katharina Beclin. Völlig ungelöst bleibt auch die Frage der verbalen Belästigung.
Ob die neuen Gesetzesbestimmungen tatsächlich einen verbesserten Schutz der sexuellen Integrität gewährleisten, sei darum nicht gesichert, so Ablinger. Der Österreichische Frauenring fordert daher den Nationalrat zu einer Entschließung an den Justizminister auf. Dieser möge bis Ende 2018 einen Bericht über die Auswirkungen dieser neuen Bestimmungen des Strafgesetzbuches in Hinblick auf tatsächlich verbesserten Schutz der sexuellen Integrität vorlegen. Der Bericht sollte Antworten zu folgenden Fragen beinhalten: Welche Sachverhalte wurden zur Anzeige gebracht? Wie viele Anzeigen wurden aufgrund der genannten Bestimmungen erstattet? Wie erledigten Staatsanwaltschaft und Gerichte diese Verfahren (Einstellungen, Freisprüche, Verurteilungen)?
"Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht und sexuelle Belästigung ist kein ‚Kavaliersdelikt’ - daran darf auch die Gesetzgebung keinen Zweifel lassen", so Sonja Ablinger abschließend.