LeserInnenbrief an die Tageszeitung "Heute"
Sehr geehrte Redaktion,
"Perfekt flirten in den Öffis" war am 4. November auf der Titelseite der "Heute" zu lesen. Was der selbsternannte "Flirt-Experte", dessen Buch Sie schließlich vorstellen, unter flirten versteht, hat uns im Frauenring – der Dachorganisation österreichischer Frauenvereine – erschüttert.
Touristen (gemeint sind wohl Touristinnen) wären "naiv, leichtgläubig und einfach gestrickt", alleinerziehende Mütter "übersehen und willig". Diese Personengruppen seien die "bevorzugten Opfer", schreiben Sie in dem Artikel. All das hat jedoch nichts mit einem Flirt zu tun – denn wer einem anderen Menschen mit Respekt und auf Augenhöhe begegnet, sucht keine "leichtgläubigen Opfer".
Indem Sie solche Aussagen aber unkommentiert abdrucken, senden Sie die Botschaft an ihre (zahlreichen) LeserInnen, es wäre in Ordnung, Frauen zu belästigen, Frauen als potenzielle Opfer zu sehen, die es mit Tricks zu überlisten gilt.
Frauenorganisationen (und auch Männer-Gruppen), die sich der Anti-Gewalt-Arbeit widmen, zeigen seit vielen Jahren die Übergriffe und Belästigungen auf, die Frauen im öffentlichen Raum ausgesetzt sind. In Kampagnen werden unter anderem Männer adressiert, um ein Bewusstsein für Grenzverletzungen, physische und psychische Gewalt zu schaffen. Kontraproduktiv wirken hier Artikel wie jener in der "Heute", der übergriffiges Verhalten verharmlost und in die Kategorie des "Flirts" einordnet.
Wir fordern Sie daher auf, sich künftig kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und diesbezüglich – gerade als Medium mit einer enormen Reichweite – Ihre journalistische Verantwortung wahrzunehmen.