Frauenorganisationen kritisieren Gewaltschutzpaket als Mogelpackung
Ein Maßnahmenpaket für den Gewaltschutz, dotiert mit 24,6 Millionen Euro, kündigte die Regierung Mitte Mai an – bis heute ist im Detail unklar, wofür die Gelder eingesetzt werden sollen. „Die Regierung hat uns zwar zu einem Runden Tisch eingeladen, doch das Paket war längst geschnürt und unser Vorbringen am Runden Tisch fand keinen Eingang“, kritisiert Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings. Auch sind 24,6 Millionen Euro deutlich zu wenig. „Gewaltschutzexpertinnen fordern 228 Millionen Euro, wir brauchen dringend Basisförderung für Opferschutz und Gewaltprävention, Gewaltschutz ist keine Projektarbeit“, so Frieben.
Bei den Familienberatungsstellen scheint das Geld in längst fällige Erhöhungen der Sätze und Valorisierungen zu erfolgen. „Das ist zwar gut, aber kein Gewaltschutz, es kommt keinem einzigen Opfer mehr Hilfe dadurch zugute“, so Maria Rösslhumer, Leiterin der Frauenhelpline und des Vereins Autonome österreichische Frauenhäuser (AÖF). Gut dotiert ist hingegen die Arbeit der Täter- und Männerberatungseinrichtungen und es ist von „opferschutzorientierter Täterarbeit“ die Rede. „Doch mit den Opferschutzeinrichtungen wurde bis jetzt nicht darüber gesprochen, was Opferschutzorientierung heißt“, so Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie.
„Bei uns erhalten Opfer derzeit durchschnittlich nur 5 Stunden Hilfe pro Jahr, was viel zu wenig ist. Wir brauchen dringend finanzielle Mittel in der Höhe von zusätzlichen 2 Millionen Euro für die Interventionsstelle, mit dem Ziel, längerfristige Unterstützung anbieten zu können. Trennungen ziehen sich meist über einen langen Zeitraum und sind die gefährlichste Phase für Klientinnen“ so Logar weiter.
Geld fehlt in den Einrichtungen an allen Ecken und Enden. „Wir brauchen 4 Millionen Euro, damit in jeder Frauen- und Mädchenberatungsstelle zusätzlich Beraterinnen für den Gewaltschutz eingesetzt werden, die in der Prävention, Akutphase und Nachversorgungsphase Frauen begleiten können“, so Elisabeth Cinatl, Vorsitzende des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen und Geschäftsleiterin des Vereins wendepunkt – Frauenhaus und Frauenberatungsstelle Wiener Neustadt.
Auch die Frauenhäuser samt der Frauenhelpline benötigen eine Aufstockung von 4,6 Millionen und endlich ausreichend Mittel für laufende Informationskampagnen. „Frauen, die von Gewalt betroffen sind, kennen oft nicht einmal die Nummer der kostenlosten 24/7-Helpline, weil wir keine finanziellen Mittel für die Bewerbung der Nummer haben und wir brauchen Geld für Schulungen der Medien “, kritisiert Maria Rösslhumer.
Sehr wichtige Bewusstseinsarbeit leistet auch der Verein OBRA – One Billion Rising Austria, eine künstlerische Kampagne für ein Ende der Gewalt an Frauen und Mädchen. „Eine Kampagne ohne finanzielle Mittel kann nicht weit reichen. Derzeit arbeiten wir ganzjährig, großteils ehrenamtlich“ , kritisiert Aiko Kazuko Kurosaki, Obfrau von OBRA.“ Als ersten Schritt würde es daher eine Million Euro brauchen.
Der Verein FEM.A betont die Wichtigkeit von kostenlosen, frei gewählten Rechtsbeiständen für Mütter und Kinder, die Gewalt erlitten haben, in Obsorge- und Besuchskontaktverfahren. „Wir benötigen 2 Millionen Euro für die Unterstützung der Mütter und ihrer Kinder, die derzeit oft alleine einen schwierigen Weg aus der Gewalt gehen müssen“, so Andrea Czak, Obfrau des Vereins der Feministischen Alleinerzieherinnen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Regierung die jahrzehntelang aufgebaute Expertise der Gewaltschutzeinrichtungen nach wie vor ignoriert. Statt auf langfristige und umfassende Gewaltschutz- und Präventionskonzepte zu setzen, werden immer wieder nur punktuelle Maßnahmen gesetzt. „Wir fordern die Regierung auf, gemeinsam mit den ExpertInnen einen nationalen Aktionsplan zu erarbeiten und auch umzusetzen“, so Rosa Logar.