Frauenpolitik: Schwarz-Blau auf Retro-Kurs
Pflege, Erziehung, Ehrenamt – in diesen Bereichen möchte die Regierung Frauen gerne vertreten wissen, wie das Kapitel „Frauen“ des aktuellen Regierungsprogrammes offenbart. Die „Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen“ ist für die Schwarz-Blaue Koalition gar „ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden“.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar – aber sicher nicht an das Geschlecht geknüpft. Seit Jahrzehnten kämpft die Frauenbewegung dagegen an, dass das Geschlecht über den Lebensentwurf von Menschen entscheidet – und ÖVP und FPÖ erklären dies nun vollmundig zum staatlichen Leitprinzip“, sagt Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings.
Frauen kommen im Regierungsprogramm insgesamt hauptsächlich als Mütter vor oder als Frauen mit Migratonshintergrund – die bei der Integration und Gewaltprävention angesprochen werden. Gewaltprävention wird vor allem im Zusammenhang mit Integration behandelt und mit Ausbau von Werteschulungen. „Sexuelle Gewalt ist", so Ablinger, „nicht ‚eingewandert’, sondern hat mit Machtgefälle, Sexismus und ökonomischer Abhängigkeit zu tun.“ Man verkennt die Ursachen, wenn Gewaltschutz auf Migration fokussiert.
Auch das Familienbild der Regierung verweigert sich den gesellschaftlichen Realitäten, wie sich bei der Formulierung zeigt, die Familie sei „eine gemeinsame Aufgabe von Frau und Mann“. „Vor wenigen Wochen hat der Verfassungsgerichtshof den Weg für die Ehe für alle freigegeben – und Regenbogenfamilien sind in Österreich längst gelebte Realität. Davor kann auch die neue Regierung nicht die Augen verschließen“, so Sonja Ablinger.
Der Österreichische Frauenring wird gemeinsam mit den Expertinnen aus seinen über 40 Mitgliedsorganisationen die einzelnen geplanten Maßnahmen der Regierung analysieren und Stellungnahmen abgeben. „Wir werden auch weiterhin für eine progressive Frauenpolitik und längst überfällige Gleichstellungsmaßnahmen kämpfen – auf den Retro-Zug der Regierung springen wir sicher nicht auf“, so Ablinger abschließend.