Braucht das Profil noch Abonnentinnen? - Leserinnenbrief des ÖFR

Dienstag, 17. Februar 2015 - 13:45

Frauenring reagiert auf die Profil-Coverstory "Brauchen Frauen eine strenge Hand?"

Sehr geehrte Redaktion, sehr geehrte Frau Hager,

Samstag, 14. Februar. Valentinstag. In der Twitter-Timeline taucht der Screenshot einer Google-Suche auf. „Frauen müssen“ hat da eine Redakteurin eingetippt, Google schlägt folgende Satzfragmente vor, um die Suche zu vervollständigen: „putzen“, „geschlagen werden“, „schön sein“.

Fünf Minuten später spült es die Ankündigung der neuen Cover-Story des Profils in die Timeline. „Brauchen Frauen eine strenge Hand?“, wird da vor dem Bild einer nackten Frau in Handschellen gefragt. Der Besteller „Fifty Shades of Grey“ kommt für das Profil also wieder einmal wie gerufen, um die Titelseite mit einer ordentlichen Portion Misogynie zu würzen. Alles für das Marketing, versteht sich. In der kommenden Woche gehen nun Tausende ÖsterreicherInnen an dieser Titelseite vorbei – und was bleibt da wohl hängen? (Aktivieren Sie doch mal Ihr Kopfkino!)

Am 14. Februar gab es übrigens auch eine Aktion vor dem Parlament in Wien: AktivistInnen setzten bei „One Billion Rising“ ein lautstarkes Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Was hat das jetzt mit Sadomasochismus zu tun? Nichts sollte es zumindest nicht) – aber Angelika Hager hat „Fifty Shades of Grey“ offensichtlich nicht gelesen. In dem Roman geht es nämlich nicht um BDSM als freiwillige, selbstbestimmte und lustvolle Sexualpraktik, sondern um eine Beziehung, in der Druck ausgeübt, manipuliert und die Privatsphäre verletzt wird. Die Protagonistin der Roman-Trilogie entdeckt nicht selbstbestimmt ihre Lust an der „Unterwerfung“, sondern fühlt sich im Gegenteil mit den Praktiken nicht wohl (Dies wäre zum Beispiel bei Ihren Kolleginnen von „Woman“ nachzulesen gewesen http://www.woman.at/a/sm-profis-fifty-shades-grey).

Natürlich sind Sie sich dann auch nicht zu schade, im Artikel die kruden Thesen der Evolutionspsychologie auszupacken: „Die Frau trage den Drang zur Unterwerfung in ihrem evolutionären Programm. (…) Der Kater beißt die Katze in den Nacken“ und handeln das Thema sehr oberflächlich ab – dass ausschließlich Experten aus Psychiatrie, Psychologie und Neurobiologie interviewt wurden und keine Expertinnen, ist bestimmt purer Zufall. Oder aber feministische Wissenschaftskritik an Neurobiologie und Psychoanalyse hätten einfach nicht in den Artikel gepasst – Feministinnen haben bei Angelika Hager nämlich stets die Rolle der Empörten, und nicht der Denkenden einzunehmen.

Mit Qualitätsjournalismus verbinden wir das Profil schon lange nicht mehr (und wie entsprechende Kommentare auf Facebook und Twitter zeigen, sind wir da nicht die einzigen), aber Sie schaffen es doch immer wieder, uns zu überraschen: Es geht immer noch ein bisschen tiefer.

Mit freundlichen Grüßen,
Christa Pölzlbauer, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings