Das große Schweigen – Bericht von der Podiumsdiskussion
Frauenpolitik in den Medien
„Danke, aber wir haben andere Probleme”, so beschreibt Maria Pernegger, Autorin der Media Affairs-Studie Frauenpolitik und Medien 2014, die Reaktion des Mainstream-Journalismus auf frauenpolitische Aktionen und Themen. Eine kurze Präsentation der zentralen Daten der Studie bildete den Auftakt zur gestrigen Veranstaltung des Österreichischen Frauenrings im Presseclub Concordia.
Im Anschluss diskutierten unter Moderation von Sonja Ablinger (Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings) Gabriele Heinisch-Hosek (Bundesministerium für Bildung und Frauen), Ulli Weish (Kommunikationswissenschafterin), Fritz Dittlbacher (Chefredakteur ORF Fernsehen), Rainer Nowak (Chefredakteur Die Presse) und Alexander Millecker (Chefredakteur ATV) über die Gründe, weshalb Frauen und Frauenpolitik in österreichischen Massenmedien nach wie vor unterrepräsentiert sind – während antifeministischen Stimmen vermehrt Raum geboten wird.
Frauenministerin Heinisch-Hosek nannte als zentralen Grund für den derzeitigen antifeministischen Backlash vor allem den massiven Umbruch, den die Wirtschaftskrise 2008 mit sich brachte und in dem Frauenthemen schlichtweg untergehen. Sie appellierte aber auch an die Medien, die Frauenpolitik als Querschnittsmaterie begreifen müssten – und sie dementsprechend in allen Ressorts mitdenken sollten.
Dass dies aktuell nicht der Fall ist, zeigt die Studie Frauenpolitik und Medien: So wurde etwa im gesamten Jahr 2014 in den wichtigsten Nachrichtensendung des ORF, der ZIB 1 und ZIB 2, insgesamt nur zwanzig Minuten über frauenpolitische Themen berichtet. Konfrontiert mit diesen Zahlen gestand Fritz Dittlbacher zwar, dass frauenpolitische Themen im ORF derzeit wenig beachtet würden, zugleich betonte er jedoch, dass Frauenpolitik medial insgesamt vernachlässigt werde und dass es im ORF sehr wohl Bemühungen gäbe, um explizit Frauen – als Journalistinnen und Expertinnen – zu fördern. „Medien sollen nicht Politik machen, sondern sie widerspiegeln“, entgegnete Dittlbacher den Forderungen nach mehr frauenpolitischer Berichterstattung. Dies blieb nicht unwidersprochen: Eine der zahlreichen Expertinnen aus dem Publikum konterte, dass auch durch die Auslassung bestimmter Themen Politik gemacht werde – und zwar eine, die antifeministische Tendenzen begünstige.
Alexander Millecker, Chefredakteur von ATV, zeigte sich wenig verwundert, als Sonja Ablinger ihn mit der Tatsache konfrontierte, dass sich im Online-Archiv von ATV kein einziger Beitrag findet, der dem Thema Frauenpolitik zugeordnet ist. Er schiebt die Verantwortung jedoch zu den Rezipient*innen, die bestimmte Inhalte eben sehen wollen würden - “Bauer sucht Frau” sei etwa ein langjähriger Quoten-Hit. Dieser Aussage setzte eine Publikumsexpertin entgegen, dass zumindest für den ORF die Ausrede der Marktgebundenheit nicht gelten könne und dieser seinem Bildungsauftrag entsprechend in diesem Kontext vorbildhaft vorangehen sollte.
Rainer Nowak, Chefredakteur der “Presse”, ortete eine gewisse “Wehleidigkeit” bei Feministinnen: Ein Medium müsse die Bandbreite politischer Positionen abbilden. Er verwies jedoch auch darauf, dass die “Presse” Marcus Franz bewusst nicht interviewt habe und er das “Pograpschen” für einen unsäglichen Begriff halte.
Einigkeit bestand am insgesamt Podium darüber, dass bestimmten antifeministischen Themen weniger Raum gegeben werden könne und Chefredaktionen sich intensiver damit auseinandersetzen könnten, wie bestimmte frauenpolitisch relevante Themen so rahmen seien. Dass die Bringschuld nicht bei feministischen AktivistInnen liege, betonte etwa die Kommunikationswissenschafterin Ulli Weish. Sie kritisierte, dass österreichische Mainstream-Medien rechtspopulistischen Personen und Aussagen weit mehr Platz bieten würden als dies etwa bei feministischen Themen der Fall wäre. Zudem problematisierte sie die Tatsache, dass vielen Organisationen und Zusammenschlüssen, die Frauenpolitik betreiben, die finanziellen Ressourcen für bestimmte Formen der Öffentlichkeitsarbeit fehlten.
Im Publikum meldeten sich zahlreiche Frauen zu Wort, die es in ihrem Arbeitsumfeld als sehr schwierig erleben, etwa mit sozialen oder arbeitsmaktpolitischen Themen die Medien zu erreichen. Maria Stern, Obfrau des Forums Kinderunterhalt, berichtete etwa von einer Erfahrung mit dem ORF, der eine Betroffenheitsgeschichte über ihre Situation gemacht und ihre politischen Forderungen aus dem Beitrag über Unterhalt und Kinderarmut herausgeschnitten hatte. Sonja Ablinger appellierte daran anschließend an die Medienverantwortlichen, die Lebensrealitäten von Frauen abzubilden und sie als Expertinnen wahrzunehmen. “Frauenpolitik ist keine Opferideologie, sondern Herrschaftskritik”, sagte die Vorsitzende des Frauenrings.
Der Frauenring freut sich über die zahlreichen InteressentInnen und ExpertInnen, die an der Veranstaltung teilgenommen haben und die die Diskussion zu einem spannenden und kritischen Austausch gemacht haben!